Berlusconi offenbart die Schwäche der italienischen Demokratie – Ansichten aus Deutschland

ProcessoDas große Zittern vor dem Urteil

Seit 20 Jahren schon hat Berlusconi die italienische Politik zur Geisel genommen. Dass es seitdem nicht zu gelingen scheint, ihn wieder loszuwerden, spricht Bände über die Schwäche der italienischen Demokratie.

Über die Schwäche des konservativen Lagers, das sein eigenes Schicksal auf Gedeih und Verderb an das Berlusconis gebunden hat. Über die Schwäche der Opposition, die sich jahrelang nur über die Gegnerschaft zu Berlusconi definierte. Und über die Schwäche der italienischen Wähler, die den versierten Demagogen und mehrfach verurteilten Korruptionskönig immer wieder zahlreich ihre Stimme gaben, selbst nachdem er das Land in den finanziellen Abgrund geführt hatte.
Weil es Gesellschaft und Politik offenbar nicht gelingt, sich Berlusconi auf normalem politischen Wege zu entledigen, obliegt es am Ende Italiens Richtern, die Ausputzer der Demokratie zu spielen. Damit gerät die Justiz in eine Rolle, für die sie eigentlich nicht gemacht ist. Aber gleichzeitig ist das die einzige Hoffnung auf eine Heilung des politischen Systems, der Italien dringend bedarf.
Italien hält nun weiter den Atem an. Der Oberste Gerichtshof in Rom prüft jetzt weiterhin, ob das Urteil wegen Steuerbetrugs gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi rechtskräftig ist. Beantworten die Richter die Frage mit Ja, droht dem Cavaliere ein Jahr Gefängnis. Noch viel weitreichender für Italien dürfte jedoch sein, dass Berlusconi im Fall der Urteilsbestätigung fünf Jahre lang kein öffentliches Amt bekleiden darf. Das wäre gleichbedeutend mit dem Ende der politischen Karriere des 76-Jährigen.
Dieses könnte wiederum die Rechts-Links-Koalition von Regierungschef Enrico Letta gefährden. An diesem zweiten Prozesstag hatten die Verteidiger das Wort. Sie plädieren auf Freispruch.
“Die Atmosphäre im Gericht war heute entspannter. Berlusconis Anwälte waren zu Gesprächen mit den Journalisten bereit und sagten, sie hätten positive Signale erhalten. Der Generalstaatsanwalt habe ihre Forderungen nicht komplett abgelehnt.”
Die Haft wird Berlusconi wegen seines Alters zwar ohnehin nicht antreten müssen, vielmehr ist es das Verbot, das dem Politiker die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Sein Verteidiger hat deshalb auch sogleich einen Freispruch beantragt.
Am Donnerstag soll das Urteil fallen.