Frau sein, das ist in vielen Bereichen noch immer keine optimale Voraussetzung, um Einfluss zu nehmen und Schlüsselpositionen zu besetzen. Auch bei Parteien spielen Frauen nur eine nachgeordnete Rolle. Warum das so ist?
Deutsche Partei-Mitglieder sind meist männlich, alt und gebildet. In den fünfziger Jahren gab es in Deutschland weit weniger Parteimitglieder als heute. Damals sprach deshalb niemand von einer Demokratie-Krise. In den politischen siebziger Jahren sind dann aber hunderttausende Menschen in die Volksparteien eingetreten. Die Mitgliedszahlen verdoppelten sich binnen kürzester Zeit. Eine vergleichbare Eintrittswelle gab es seither nie wieder. Diese Generation ist allerdings inzwischen alt geworden, macht aber immer noch einen guten Teil der Mitgliedschaft insbesondere der Volksparteien aus.
Als Mädchen bekommt man schon gesagt, Politik ist Männersache, das hat dich nicht zu interessieren, beschäftige dich damit nicht. Aber dieses Bild gibt es immer noch und deswegen beschäftigen sich dann Frauen, wenn sie älter sind, einfach nicht so stark mit Politik. Eine zweite Theorie ist, dass Frau sein, also das Geschlecht, nur eine ewige Stellvertretervariable ist.
Was ist eine Stellvertretervariable? Man weiß, dass sich Menschen dann stärker politisch engagieren, wenn sie beispielsweise ein hohes Einkommen haben, wenn sie eine hohe formale Bildung haben, wenn sie im Berufsleben eine gehobene Position einnehmen. “Frau steht für geringere Bildung, geringeres Einkommen, geringere Position”. Auch das ändert sich ja. Bei Bildungsabschlüssen gerade ist es ja so, dass Frauen aufholen. Aber das dauert natürlich, bis sich das auswirkt, und solange Frauen strukturell ein geringeres Einkommen haben, ist es nur logisch, dass sie sich dann auch weniger betätigen.
Ein ganz wichtiger Punkt in dem Zusammenhang ist auch noch die Zeit. Politische Beteiligung kostet ja einfach viel Zeit und man kann nicht einfach von der Nachtsitzung der Partei, des Ortsverbandes ewig entfernt bleiben, wenn man zuhause sich um die Familie kümmern muss. Es gibt ja doch noch sehr stark das traditionelle Familienbild, dass die Frau sich um die Familie kümmert, neben dem Beruf, oder um den Haushalt, und auch deswegen können sich Frauen weniger beteiligen.
Ist das ein spezifisch deutsches Phänomen? Nein. In anderen Demokratien auch. Es hängt natürlich stark auch davon ab, wie Gleichberechtigung allgemein in der Gesellschaft gelebt wird. Wenn man beispielsweise in die skandinavischen Länder guckt, da gibt es dieses Sozialisationsmodell “Politik ist Männersache und das hat dich nicht zu interessieren” natürlich viel weniger, weil die Gesellschaft allgemein stärker gleichberechtigt ist.