Papst-Worte, die hohe Wellen schlagen werden. Franziskus will eine Umkehr seiner Weltkirche. Sie soll nicht mehr wie besessen auf Schwulenehe, Abtreibung oder Verhütung fixiert sein, sondern müsse Wunden heilen. Das Kirchenoberhaupt liebt offene Worte. Franziskus nimmt also kein Blatt vor den Mund, wenn es um seine katholische Weltkirche geht: In seinem ersten großen Interview verlangt der Papst nicht weniger als eine Wende. Die Kirche soll sich nicht länger in die heiklen Fragen der Schwulenehe, der Scheidung, Abtreibung oder Verhütungsmethoden verbeißen.
“Revolutionäre Worte” sieht der rechtsliberale Mailänder “Corriere della Sera” in diesem Versuch des Pontifex, seine an der Spitze verkrustete Kirche wachzurütteln. Franziskus reißt dabei die bekannten konservativen Dogmen der Kirche nicht ein, er praktiziert aber einen neuen Stil.
Der Glaube soll im 21. Jahrhundert also nicht eine Ideologie unter vielen sein. Vonnöten ist eine nach vorne gerichtete Vision, die dem Einzelnen Freiheit lässt, statt ihn mit katholischen Vorschriften praktisch zu umzingeln: “Es darf keine spirituelle Einmischung in das persönliche Leben geben.” Wieder so ein markanter Papst-Satz, mit dem Bergoglio seiner Kirche nun neue Wege, neue Räume auftun will.
Er war gewählt worden als ein Papst, der aus dem fernen Argentinien in das ihm kaum vertraute Rom kam, um von seiner Kirche und ausdrücklich auch von den Bischöfen nachdrücklich Mut und Kühnheit anzumahnen. “Wer in übertriebener Weise die “Sicherheit” in der Lehre sucht, wer verbissen die verlorene Vergangenheit sucht, hat eine statische und rückwärtsgewandte Vision.” Die verwirft der Papst aus Buenos Aires, der sich nicht zum rechten Flügel der Kirche zählt und schon auf seiner fliegenden Pressekonferenz dem Weltjugendtag in Rio de Janeiro klar sagte, dass die Kirche die Schwulen nicht verurteile. Seine Treue zur katholischen Morallehre bestätigt er ganz nebenbei in dem Interview.