Das Land hat einen der bestorganisierten Sozialdienste im Land an eine süditalienische Firma „verscherbelt“, den Schülertransport für Behinderte, so die Tageszeitung. Hier die Hintergründe einer sozialpolitisch sehr fragwürdigen Entscheidung.
Wolfgang Obwexer macht keinen Hehl aus seinem Gemütszustand: „Wir sind enttäuscht und frustriert.“
Der Direktor der Lebenshilfe hat wochenlang gehofft, dass die politisch Verantwortlichen im Land den GAU in der Südtiroler Behindertenarbeit noch abwenden könnten. Doch nun scheint es so gut fix:
Eine gewinnorientierte Firma aus Süditalien wird den Zuschlag für den Schülertransport der Behinderten in Südtirol bekommen. Zwei Vorzeige-Organisationen der Sozialarbeit in Südtirol, die Arbeitsgemeinschaft für Behinderte und die Lebenshilfe wurden ausgebootet, schauen durch die Finger.
Für die Arbeitsgemeinschaft für Behinderte könnte die Entscheidung sogar der Todesstoß sein.
35 Jahre lang, seit dem fernen Jahr 1979, haben die Arbeitsgemeinschaft für Behinderte und die Lebenshilfe den Schülertransport für die Behinderten abgewickelt. Die Arbeitsgemeinschaft hat die (zuletzt über 50) Busse gestellt, die Lebenshilfe die (zuletzt 80) Begleitpersonen. Obwohl in anderen Ländern und in anderen italienischen Regionen Sozialdienstleistungen (unter Hinweis auf ein allgemeines öffentlich-soziales Interesse) nicht öffentlich ausgeschrieben werden, hat die Landesregierung den Dienst ausgeschrieben. Die Rechtsexperten des Landes, so hieß es, sind zum Schluss gekommen, dass der Dienst öffentlich ausgeschrieben werden muss.
Und nun ist genau das eingetreten, wovor Wolfgang Obwexer & Co. bereits vor Jahren gewarnt hatten: Ein gewinnorientierter, privater Dienstleister aus Lecce hat den Zuschlag erhalten. Das heißt: Die Firma aus Lecce wird, aller Voraussicht nach den Dienst in den nächsten vier Jahren leisten.
Das Auftragsvolumen: Mehr als 8 Millionen Euro in vier Jahren. Die Firma aus Lecce hat ein um fünf Prozent günstigeres Angebot als das Konsortium Lebenshilfe-Arge für Behinderte hinterlegt.
Das Land vergibt den Auftrag an eine Firma aus Süditalien und erzielt eine lächerliche Kostenersparnis von 100.000 Euro im Jahr und hat keine Garantie, dass ein seit 35 Jahren allseits geschätzter Dienst qualitativ so weitergeführt werden kann wie bisher. Noch dazu in einem so sensiblen Bereich wie es die Behindertenarbeit ist.
Zwar hat die Firma aus Lecce angekündigt, sie will hiesiges Begleitpersonal einstellen.
Aber die Tatsache ist: Allein mit deutschsprachigem Personal ist es nicht getan. Die bisherige Koordinatorin bei der Lebenshilfe hat bei der Auswahl des Personals und bei den Dienstplänen sowohl den örtlichen Gegebenheiten und auch den Bedürfnissen des Personals Rechnung getragen.
Wolfgang Obwexer bemängelt auch , dass bei der Ausschreibung Kriterien wie die Kontinuität und die lokale Verankerung überhaupt nicht berücksichtigt worden sind.
Hätte der politische Wille bestanden, den Dienst im Lande zu behalten, hätte man sicherlich Wege gefunden.
Deswegen reicht Wolfgang Obwexer der Politik auch die Sinnfrage weiter: „Wir wollen von der Politik wissen, inwieweit es im Interesse von Menschen mit Behinderung ist, wenn provinzfremde, gewinnorientierte Unternehmen Sozialdienstleistungen übernehmen, während gleichzeitig die lokal verankerten Vereine kaputtgemacht werden.“ Wenn die Politik die lokalen Vereine nicht mehr braucht, dann, so der Lebenshilfe-Chef , „soll man uns dies sagen“.
Noch schärfer geht Hans Widmann, der Lebenshilfe-Präsident, mit der Landesregierung ins Gericht.