Anlässlich der „Interregionalen Rheumatagung“ der Rheuma-Liga Südtirol hat Claudio Calabrese von Buongiorno Südtirol mit dem Präsidenten der Rheuma-Liga Günter Stolz über die Krankheit Rheuma gesprochen. Herausgekommen ist ein Gespräch über den unzureichenden Status Quo der Versorgungssituation der Rheumatiker und über entsprechende Erwartungen für die Zukunft.
Claudio Calabrese: Herr Präsident, am Samstag, den 10. Oktober, findet die jährliche „Interregionale Rheumatagung“ in der Bonvicini-Klinik statt. Was haben Sie den Interessierten zu bieten?
Günter Stolz: Wie jedes Jahr haben wir für ein reichhaltiges Angebot gesorgt. Nach der Eröffnung der Tagung durch Landesrätin Martha Stocker werden hochqualifizierte Referenten über folgende Themenbereiche vortragen: Rheuma bei Kindern und Jugendlichen, Podologie, Interdisziplinäre Schmerztherapie. Ab 14:00 Uhr haben die Interessierten die Gelegenheit, kostenlose Schnupperkurse im Bereich der Bewegungstherapie zu nutzen. Wir organisieren Qigong-, Nordic Walking- und Backschool-Kurse.
Claudio Calabrese: Soweit so gut. Können Sie uns verraten, was man sich unter der Krankheit „Rheuma“ vorstellen kann?
Günter Stolz: Rheuma ist nur ein Überbegriff für rund 200 verschiedene Krankheiten, die den Muskel- und Bewegungsapparat betreffen. Rheuma ist nur in den wenigsten Fällen heilbar und ist mit chronischen Schmerzen verbunden. Zu den bekanntesten rheumatischen Erkrankungen gehören unter anderen die Chronische Polyarthritis, Morbus Bechterew, Psoriasis Arthritis (Schuppenflechte), Lupus, Gicht, Osteoporose, Fibromyalgie.
Claudio Calabrese: Herr Stolz, wie viele Rheumakranke leben in Südtirol?
Günter Stolz: Dabei sind wir schon bei einem heiklen Thema angelangt. Leider haben wir in Südtirol keine diesbezüglich verlässlichen Zahlen. Seit Jahren fordern wir beispielsweise eine einheitliche und digitale Rheumakartei, die entsprechende Erhebungen und die Forschung zum Thema Rheuma in Südtirol erlauben würde. Wenn wir die Erhebungen aus dem Trentino auf Südtirol übertragen, können wir von ca. 100.000 Betroffenen ausgehen.
Claudio Calabrese: Das hieße also, dass jeder 5. Südtiroler irgendwann mit rheumatischen Beschwerden zu tun hätte…
Günter Stolz: Das ist leider zutreffend. Umso verwunderlicher ist es, dass der große Durchbruch bei der Organisation der Rheumatologie nicht gelungen ist und das obwohl wir als Rheuma-Liga seit Jahren auf die Schaffung eines eigenständig organisierten Rheumanetzwerkes hinarbeiten und viele Vorschläge unterbreitet haben.
Claudio Calabrese: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Günter Stolz: Wir möchten schon darauf hinweisen, dass es sowohl unter Landesrat Richard Theiner als auch jetzt unter Landesrätin Dr. Martha Stocker wertvolle, ehrliche und löbliche Initiativen gegeben hat, um das Problem der beispielsweise sehr langen Wartezeiten für Erstvisiten und den Fachärztemangel in den Griff zu kriegen. Was fehlt, ist eine landesweite Organisation der Rheumatologie mit einem verantwortlichen Koordinator an der Spitze, einem landesweit operierenden Rheumatologen- und PflegerInnen-Team und klar festgelegten Kompetenzen und Ressourcen. Außerdem müssten die Hausärzte ganz aktiv in die Neuausrichtung miteinbezogen werden.
Claudio Calabrese: Welche Rolle sollten denn die Hausärzte übernehmen?
Günter Stolz: Die Hausärzte erfüllen eine sehr wichtige Aufgabe. Sie sind die ersten Ansprechpartner für Betroffene. Sie untersuchen potentiell Betroffene als erste und entscheiden, ob und wann diese einer Erstvisite von einem Rheumatologen unterzogen werden. Wissen Sie, dass im Schnitt 7 Jahre vergehen, bis bei ein Betroffener die Diagnose „Rheuma“ erhält? Können Sie sich vorstellen, wie groß der Leidensdruck der Betroffenen in dieser Zeit ist? Ganz zu schweigen davon, dass möglich Betroffene unter Umständen unnötigen Untersuchungen und überflüssiger Medikation ausgesetzt sind. Nur wenn man die Hausärzte gut und regelmäßig schult, kann man die Zeit bis zu einer Diagnose nach unten korrigieren. Dies wird sich letztlich auch positiv auf den Gesundheitshaushalt auswirken.
Claudio Calabrese: Herr Stolz, noch kurz zu Ihrem Verein. Welche weiteren Ziele verfolgt die Rheuma-Liga neben der Schaffung eines Rheumanetzwerkes?
Günter Stolz: Auf jeden Fall möchten wir die Gesellschaft für das Thema „Volkskrankheit Rheuma“ sensibilisieren und die Menschen aufklären. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, alte Menschen: Alle können von rheumatischen Erkrankungen betroffen sein. Rheuma bedeutet täglichen Schmerz und wird leider oft bagatellisiert. Nur um die Schwere zu unterstreichen: Rheuma verursacht in Österreich laut Erhebungen die meisten krankheitsbedingten Abwesenheiten vom Arbeitsplatz. Auch aus diesem Grunde ist es höchst an der Zeit, eine gute Versorgung der Kranken zu garantieren, damit sie möglichst lange im Arbeitsleben bleiben. Alles andere ist viel teurer und erzeugt mehr Leid.
Claudio Calabrese: Sehr geehrter Herr Präsident, wir danken Ihnen für das ausführliche Gespräch!