Bozen – Mit Verwunderung nimmt der Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) die Presseaussendung des Arbeitsförderungsinstituts AFI zur Kenntnis. Der HGV scheut keine fundierte Diskussion auf Grundlage von wissenschaftlichen Studien. In diesem Fall scheint es jedoch so zu sein, dass AFI-Direktor Stefan Perini sich noch im Landtagswahlkampf befindet und zu Themen Stellung bezieht, die mit dem Arbeitsauftrag des AFI nichts gemein haben. Stellungnahmen zum Bettenstopp oder zur Ortstaxe sind nur schwer mit den institutionellen Aufgaben eines Arbeitsförderungsinstitutes vereinbar. Das AFI kann und soll sich mit arbeitsmarktpolitischen Fragen auseinandersetzen und dazu äußern. Wenn sich Stefan Perini mit tourismuspolitischen Fragen auseinandersetzen möchte, dann gerne als Exponent einer Partei, für die er in den Landtagswahlkampf gezogen ist, aber nicht in seiner Funktion als Direktor des Arbeitsförderungsinstituts.
„Selbst was die Aussagen zur Ausbildung anbelangt, scheint der AFI-Direktor nicht ganz auf dem Laufendem zu sein und mehr seine persönliche Meinung preiszugeben, anstatt die vorliegenden Fakten fachlich und objektiv zu bewerten. Vonseiten eines mit Steuergeldern finanzierten Instituts darf man sich mehr erwarten als nur populistische Aussagen, die auf Zahlen fußen, welche bewusst aus dem Kontext gerissen wurden, um mediale Aufmerksamkeit im Sommerloch zu generieren“, so HGV-Direktor Raffael Mooswalder.
Zum Thema Ausbildung:
Das Berufsbildungs- und Oberschulsystem wären laut dem AFI übermäßig stark auf Tourismusberufe ausgerichtet. Dazu stellt der HGV wie folgt fest:
- Von insgesamt 20.140 Schülerinnen und Schülern, die im Schuljahr 2022/23 eine Oberschule besucht haben, haben 1.012 eine Schule mit Schwerpunkt Tourismus besucht (Berufsschulen ausgenommen).
- Von insgesamt 88 Bildungseinrichtungen (aller Sprachgruppen) bieten knapp zehn eine Ausbildung im Tourismus an (Berufsschulen und Wirtschafts-Fachoberschulen).
- In Südtirol gibt es insgesamt 11 Berufsschulen, fünf davon bieten eine Ausbildung im Gastgewerbe an, wobei die beiden Hotelfachschulen (Meran und Bruneck) eine italienweite Sonderrolle einnehmen (da 5-jährige Ausbildung).
- Korrekt ist, dass die Lehrlingsausbildung für Küche und Service zu den Top15 Lehrberufen zählt – was für den Sektor spricht.
- Generell ist es erfreulich, dass möglichst viele Jugendliche eine Ausbildung im Tourismus in Betracht ziehen, was bedeutet, dass sie den Tourismus als sicheren zukünftigen Arbeitgeber schätzen und auch den Mehrwert sehen, den der Tourismus dem Land bietet.
- Generell stellen wir fest, dass die Jugendlichen, die eine Ausbildung in den gastgewerblichen Schulen besuchen in anderen Branchen auch sehr gefragt sind. Das zeugt von der hohen Qualität der Ausbildung, v. a. im Bereich der Soft Skills.
Weiters meint das AFI, dass zehn Jahre nach Abschluss der Berufsschule von 100 Abgängern noch 37 im Gastgewerbe tätig sind, was aus dessen Sicht die Frage nach der Qualität der Arbeitsbedingungen aufwerfen würde. Dazu stellt der HGV fest, dass die Zahlen korrekt sind, gleichzeitig aber ins Verhältnis mit anderen Branchen gestellt werden müssen, um eine seriöse Bewertung abgeben zu können. „Die Studie ‚Jugend und Berufseinstieg‘ (Arbeitsmarktservice, Mai 2023) zeigt auf, dass insgesamt zehn Jahre nach Abschluss der Berufsschule nur 38 von 100 Schülerinnen und Schülern im erlernten Beruf tätig sind (bei den handwerklich-technischen Berufen sind es 42). Das Gastgewerbe schneidet hier also durchschnittlich ähnlich ab, wie die anderen Berufssparten. Der Wechsel ist generell auf die vielfältigen Möglichkeiten und die höhere Wechselbereitschaft der Jugendlichen zurückzuführen. Lineare Curricula sind heute generell eine Ausnahme“, so Direktor Mooswalder.
Was die Aussage betrifft, dass andere Branchen volkswirtschaftlich oder gesellschaftspolitisch relevanter sind, stellt der HGV fest, dass es unbestritten ist, dass der Tourismus in Südtirol eine tragende Säule der Wirtschaft ist und gleichzeitig mit Blick auf die Wechselwirkung mit anderen Wirtschaftssektoren eines der treibenden Zahnräder darstellt, das andere Wirtschaftssparten befruchtet.
Bezüglich der Äußerungen zur Fünf-Tage-Woche stellt der HGV fest, dass es auch andere Branchen gibt, in denen eine Fünf-Tage-Woche nicht partout möglich ist und in denen am Wochenende gearbeitet wird. In vielen gastgewerblichen Betrieben ist die Fünf-Tage-Woche aber bereits Realität. Tatsache ist auch, dass nicht alle Mitarbeitenden im Gastgewerbe eine Fünf-Tage-Woche wollen. Das gilt vor allem für saisonale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Der HGV und die Mitgliedsbetriebe wissen aber, dass von Seiten des Gastgewerbes noch mehr Flexibilität notwendig sein wird, wenn wir im Wettbewerb um die Mitarbeiter bestand haben wollen“, sagt Direktor Mooswalder. Auch wird in der Aussendung des AFI die Wochenendarbeit als eine Schattenseite des Tourismus für die Mitarbeitenden dargestellt. „Wir sollten als Gesellschaft froh sein, dass sich viele Menschen nicht zu schade sind, sektorenübergreifend auch am Wochenende zu arbeiten. Angefangen bei Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern, Sicherheitskräften und vielen anderen mehr, so stellen sich auch die Mitarbeitenden im Gastgewerbe in den Dienst der Bevölkerung und der Gäste, welche am Wochenende eine schöne und gesellige Zeit auf einer Schutzhütte, in einer Bar oder in einem Restaurant verbringen wollen. Solche Menschen verdienen sich Anerkennung und Respekt und keine unqualifizierten Zurufe von der Seite,“ unterstreicht Direktor Mooswalder.
Abgesehen davon gilt es bei der Einordnung der vorliegenden Stellungnahme des AFI zu bedenken, dass sich laut der Methodologie, welche in der Publikation des AFI beschrieben wird, der Teil bzgl. der Arbeitsbedingungen in der Euregio auf die EWCS-Studien des AFI aus den Jahren 2016 und 2021 sowie auf darauf aufbauende Publikationen fußt. Wie groß die Relevanz von Daten aus den Jahren 2016 und 2021 im Jahre 2024 noch ist, lässt sich diskutieren.
Und abschließend: Was das Thema Bindung an den Arbeitsplatz und Attraktivität der Gastronomie und der Beherbergung als Arbeitgeber betrifft, arbeitet der HGV aktuell an der Arbeitgebermarke für das Gastgewerbe und befindet sich auch in Verhandlungen mit den lokalen Gewerkschaften für den neuen Landeszusatzvertrag. Nach dem positiven Abschluss der Verhandlungen auf nationaler Ebene, sind sich der HGV und die Gewerkschaften ihrer Verantwortung bewusst, für die Angestellten in Südtirol eine weitere Verbesserung zu erreichen. Gleichzeitig ist es angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation selbstverständlich, dass der HGV im Rahmen der Entwicklung der Arbeitgebermarke auch daran arbeitet, die Berufe und die Entwicklungen, die es im Gastgewerbe gibt, aufzuzeigen und die Betriebe dabei unterstützt, sich den verändernden Rahmenbedingungen und den Anforderungen der Mitarbeitenden an den Arbeitgebenden anzupassen, heißt es abschließend in der Aussendung des HGV.
Im Bild: Zukunft im Gastgewerbe: Junge Menschen tragen zur Dynamik der Branche bei/c-Armin Terzer