Was ist Umwegverkehr?

Wer die Verkehrsproblematik mit der patriotischen und/oder parteipolitischen Brille lösen will, wird in einer Sackgasse enden. Lösungen müssen realitätsbezogen sein und die Bedürfnisse der Menschen (Gesundheit, Ruhe, Umwelt) mit jenen des freien Warenverkehrs in Einklang bringen. Alle wünschen wir uns weniger Verkehr, aber alle sind wir Teil davon und alle nützen wir die persönlichen Freiheiten. Gerade als Bewohner des verkehrsgeplagten Eisacktales, wo derzeit gleich mehrere Großbaustellen in Betrieb sind, wünsche ich mir Verbesserungen. Man könnte es sich als Eisacktaler ja leicht machen und eine Verteilung des Verkehrs verlangen, so nach dem Motto: baut die Alemagna und/oder die Ulm-Mailand, warum muss alles durchs Eisacktal?

Wogegen ich mich wehre, ist der Umstand, dass der LKW immer noch zum alleinigen Sündenbock abgestempelt wird. Auf der Grundlage von Erhebungen zur Umweltbelastung durch den Verkehr Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden Maßnahmen getroffen, die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Eindämmung des Lärms geführt haben. Die LKWs wurden nachgerüstet und es ist eine Tatsache, dass die zulässigen Werte inzwischen deutlich unterschritten werden. Zum Vergleich: den rund 2,4 Millionen LKWs, die über den Brenner fahren, stehen rund 13 Millionen Personenkraftwagen gegenüber.

Die vor bald 20 Jahren von der Tiroler Landesregierung durchgeführte „Statuserhebung Inntal“ (die Messungen wurden täglich über ein Jahr zwischen Kufstein und Haiming durchgeführt) ergab folgendes Ergebnis: der gesamte Verkehr erzeugte 38% der Schadstoffemissionen. 69% kamen von der Autobahn, entspricht 26% der Schadstoffe. Davon entfielen wiederum 63% auf die PKWs, gleich 16,4% der Schadstoffe und 37% auf die LKWs, gleich 9,6% der Schadstoffe. Rechnet man dem Transit zwei Drittel zu, verbleibt für die LKWs ein Anteil von 6,3%! Von der Tiroler Umweltlandesrätin Ingrid Felipe stammt die Aussage „Trotz des gestiegenen Verkehrs ist die Luft besser geworden“ und Fritz Gurgiser erklärte „das Problem heute sind nicht mehr die Schadstoffe“. Eine Erhebung in Südtirol dürfte ähnlich ausfallen. Das Problem sind also nicht mehr die „stinkenden“ LKWs, sondern die Anzahl der Fahrzeuge, wobei der Zuwachs der PKWs ungleich höher ist als jener der LKWs. Aus naheliegenden Gründen (Tourismus, persönliche Freiheit) bleibt der PKW eine heilige Kuh, wohingegen die Verlagerung des Warenverkehrs von der Straße auf die Schiene im wahrsten Sinn des Wortes im Stau stecken bleibt. Daher braucht es bis zur Inbetriebnahme des BBT Zwischenlösungen.

Die Begründung, der Umwegverkehr entstehe vor allem wegen der billigen Maut und des billigen Diesels, ist ganz einfach falsch. Der Diesel kostet dem Frächter in Süd- und Nordtirol mehr oder weniger gleich viel und die Maut würde der Endverbraucher berappen. Entscheidend für den LKW-Warenverkehr sind Lade- und Bestimmungsort; dies gilt auch für die Routenwahl des alpenquerenden Verkehrs. Zudem bedarf der Begriff „Umwegverkehr“ einer klaren Begriffsbestimmung. Auch ein Kilometer ist mathematisch schon ein Umweg. Die von Sven Knoll zitierte Studie, die ich selbstverständlich kenne, lässt nach seiner Rechnung den Schluss zu, dass wir sogar 75% Umwegverkehr haben. Laut Studie sind 33% der LKWs mit bis zu 60 KM Umweg unterwegs, laut Knoll kämen 42% dazu, die eine um mehr als 60 Km kürzere Strecke hätten. Noch Fragen? Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Als Patriot müsste Knoll zumindest unseren Vorschlag unterstützen, die gesamte Europaregion Tirol als Ziel- und Quellverkehr einzustufen.

Wenn dann noch ideologische Aspekte mehr zählen, als sachdienliche Diskussionen, kommt man annehmbaren Lösungen sicher nicht näher. Aus Berichten in den österreichischen Medien geht hervor, dass die grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler Gespräche mit Italiens Verkehrsminister Salvini mehrfach abgelehnt habe, weil sie „nicht mit Rechtsradikalen“ spreche. Das letzte gemeinsame Treffen fand vor über einem Jahr statt und dauerte eine halbe Stunde. Bleibt zu hoffen, dass nach der österreichischen Nationalratswahl Ende September andere Kräfte ans Ruder kommen, die Lösungen mit Gesprächen suchen und verhindern, dass sich Gerichte damit befassen müssen.

Pius Leitner
Freiheitlicher Ehrenobmann