Ins Bild gerückt: Die Fotografin Charlotte Joël (1887–1943)

Eine von Markus Ender kuratierte Ausstellung am Forschungsinstitut Brenner-Archiv rückt zum ersten Mal die bis vor kurzem vergessene Fotografin Charlotte Joël in den Fokus. Sie zeigt in einer repräsentativen Auswahl Exponate aus der Karl Kraus-Sammlung Friedrich Pfäfflin, die das Werk der Fotografin und ihre Beziehung zu Karl Kraus illustrieren. Eine Besonderheit stellt ein aus britischem Privatbesitz stammendes Fotoalbum dar, das erst vor wenigen Monaten entdeckt worden ist und als Leihgabe erstmals für die Dauer der Ausstellung gezeigt wird. Die Kinderporträts dieses Albums sind Anfang der 1930er Jahre über einen Zeitraum von sieben Jahren entstanden. Die Familie musste 1935 von Berlin nach England emigrieren, das Konvolut ist trotz der widrigen Umstände bis heute vollständig erhalten geblieben; in seiner Geschlossenheit und in seinem Umfang ist es ein herausragendes Zeitdokument. Daneben werden Materialien präsentiert, die Friedrich Pfäfflin zur Dokumentation von Leben und Werk dieser außergewöhnlichen Fotografin in jahrzehntelanger Arbeit gesammelt hat. Es wird damit der Weg zum Werkkatalog nachgezeichnet, der von Friedrich Pfäfflin und Werner Kohlert in der Absicht erstellt worden ist, Charlotte Joël vor dem Vergessen zu bewahren.

Charlotte Joël eröffnete 1916 mit Marie Heinzelmann in Berlin-Charlottenburg ein „Atelier für moderne Photographie“, in dem sie Persönlichkeiten wie Marlene Dietrich, Gustav Landauer oder Walter Benjamin und ab dem Frühjahr 1921 bis 1930 immer wieder auch Karl Kraus porträtiert hat. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurde sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt. Das Atelier wurde offiziell von Marie Heinzelmann betrieben, lief aber unter dem etablierten Namen weiter und Joël sicherte sich mit der Produktion von Kinderporträts ihre Existenz. Trotz sich weiter verschlechternder Zeitumstände entschied sie sich gegen eine Emigration. 1941 schloss sie sich gemeinsam mit ihrer Freundin Clara Grunwald, einer frühen Montessori-Pädagogin, einer Hachscharastätte in Neuendorf im Sande an. Im April 1943 wurden Clara Grunwald und Charlotte Joël ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sich ihre Spur verliert.

Kurator Markus Ender steht jederzeit für Presse-Führungen zur Verfügung!

Ausstellung 
Ins Bild gerückt: Die Fotografin Charlotte Joël (1887–1943)
Originale und Reproduktionen aus der Karl Kraus-Sammlung Friedrich Pfäfflin

Ausstellungsdauer: 24.9.– 31.12.2024
Ort: Forschungsinstitut Brenner-Archiv Josef-Hirn-Str. 5/10. Stock, Innsbruck

Vernissage: Dienstag, 24.9.2024, 17:30 Uhr 

Begrüßung:

  • Gregor Weihs, VR für Forschung
  • Ulrike Tanzer, Leiterin des Forschungsinstituts Brenner-Archiv
  • Maria Piok, Leiterin des Literaturhauses am Inn

Einführung:

  • Markus Ender: „Mein Zeiger ist zurückgewendet.“ Die vergessene Fotografin Charlotte Joël und ihre Wiederentdeckung durch Friedrich Pfäfflin

Im Bild: Karl Kraus