Neue Kooperation enttabuisiert psychische Erkrankungen im Leistungssport

Während die gezielte psychologische Betreuung im Leistungssport mittlerweile unbestritten ist und besonders im Hochleistungssport entsprechende auf Leistungsoptimierung abzielende sportpsychologische Interventionen unterschiedlichster Art gesetzt werden, gelten psychiatrische Erkrankungen nach wie vor vielfach als Tabuthema im Spitzensport. Um dem zu begegnen, legt die Klinische Abteilung für Sozialpsychiatrie an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie von AKH Wien und MedUni Wien einen neuen Schwerpunkt auf die psychische Gesundheit im Leistungssport und startet eine Kooperation mit dem Österreichischen Schwimmverband.

Die psychische Gesundheit von Leistungssportler:innen ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus geraten. Die IOC-Kommission für mentale und physische Gesundheit identifizierte in einer Metanalyse 640 unterschiedliche Stressoren in einer professionellen Leistungssportkarriere, die das Risiko für den Erhalt der geistigen und physischen Gesundheit von Athlet:innen gefährden können. Eine weitere Meta-Analyse untersuchte die Prävalenz psychischer Auffälligkeiten und Störungen bei aktiven Sportler:innen. Die Ergebnisse zeigen, dass bei 19% der aktiven Athlet:innen Alkoholmissbrauch vorlag und bis zu 34% von einer Angststörung und Depression betroffen waren. Die neu aufgebaute Kooperation zwischen der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie von AKH Wien und MedUni Wien und dem Österreichischen Schwimmverband (OSV) hat zum Ziel, einen Beitrag zur Enttabuisierung von psychiatrischen Erkrankungen im Leistungssport beizutragen und bietet Spitzensportler:innen des OSV sportpsychiatrisch spezialisierte und zeitnahe Betreuungsmöglichkeiten.

Fabian Friedrich, Psychiater und Oberarzt an der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie und Projektleiter: „Die Kooperation mit dem Österreichischen Schwimmverband ist ein Meilenstein in der Behandlung psychischer Erkrankungen im Leistungssport. Den Betroffenen steht nun rasch und anonym ein multidisziplinäres Team zur Erkennung und Behandlung psychiatrischer Problemstellungen zu Verfügung. Gerade im Spitzensport können sich psychische Belastungssymptome anders darstellen. Diese zu erkennen und gezielt zu therapieren, ist ein Kernziel dieser Kooperation.“ So können beispielsweise depressive Zustandsbilder dazu führen, dass das gewohnte Leistungsspektrum nicht abgerufen werden kann. Erst ein Erkennen und Besprechen dieser Symptome und eine adäquate Therapie können zu einer signifikanten Besserung führen.

Durch die neue Kooperation haben Spitzensportler:innen des OSV nun die Möglichkeit, direkt und anonym, gänzlich ohne Involvierung oder Kenntnisnahme des OSV bei Unsicherheiten zur eigenen psychischen Verfassung oder bei konkreten Problemstellungen mit dem Projektteam der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie telefonisch oder per E-Mail Kontakt aufzunehmen. In Notfällen besteht die Möglichkeit, die Akutambulanz der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie ohne Terminvergabe aufzusuchen.

„Leistungssportlerinnen und Leistungssportler sehen sich in ihrem Alltag mit besonderen Herausforderungen und psychischen Stressoren konfrontiert. Um hier angemessen helfen zu können, braucht es speziell für die Themen des Leistungssports sensibilisiertes Fachpersonal. Gleichzeitig muss ein Betreuungsangebot möglichst diskret und niederschwellig in Anspruch genommen werden können. Beides wird im Zuge der Kooperation durch die Spezialistinnen und Spezialisten am AKH Wien gewährleistet“, so Severin Kukla, Vorsitzender der Sportkommission Schwimmen des Österreichischen Schwimmverbandes. „Dem Österreichischen Schwimmverband ist es wichtig, den Sportler:innen das berechtigte Gefühl zu geben, dass es jemanden gibt, der ihnen in ihrer speziellen Situation rund um etwaige psychische Schwierigkeiten helfen kann – auch oder gerade als Ergänzung zu einer möglicherweise bereits laufenden psychologischen Betreuung.“ Mit der neuen Kooperation soll ein wichtiger Schritt in Richtung Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen gesetzt und gleichzeitig ein zeitgemäßes Behandlungsangebot geschaffen werden.