Tonspuren der Heimat. Die Reihe “Volksliedersingen” der RAVAG 1934–1937

Im Rahmen einer Kooperation der Österreichischen Nationalbibliothek mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wird nun einer der bedeutendsten historischen Audio-Bestände zur österreichischen Volksmusik hörbar. Der Bestand ist Teil des UNESCO “Memory of Austria” und dokumentiert das Singen der zumeist ländlichen Bevölkerung von 1934 bis 1937 im Rahmen der Reihe “Volksliedersingen” der Radio-Verkehrs-AG, der Vorläuferin des ORF. Die neue Online-Ausstellung ist von 1. Oktober 2024 bis 31. März 2025 auf der Website der Österreichischen Nationalbibliothek zu sehen.

Die Ausstellung zeigt nicht nur Protagonist*innen und Tondokumente, sie stellt das Geschehen auch im ideologischen Kontext der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur (1934–1938) dar, die vitales Interesse am Aufbau einer österreichischen Identität hatte. Bewerbungsformulare und Protokolle, Liedtexte und Notenhandschriften, Zeitungsausschnitte und Fotos machen die Reihe “Volksliedersingen” vor ihrem historischen Hintergrund nachvollziehbar. Die unterschiedlichen, sorgfältig gestalteten Kapitel sind nach österreichischen Bundesländern aufgeteilt und mit Bildern, Beispielen und Hörproben ansprechend aufbereitet.

Von 1934 bis 1937 führte die Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) zwölf Veranstaltungen der Reihe “Volksliedersingen” in allen Bundesländern außer Wien durch. Dafür wurden Laiensänger*innen der jeweiligen Region dazu eingeladen, ihre Volkslieder öffentlich vorzutragen. Eine Expert*innen-Jury entschied, welche davon im Radio gesendet oder zur Archivierung aufgenommen wurden.

Im Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sind die Aufnahmen von rund 270 Einzeltiteln erhalten, die das Singen der Bevölkerung aus allen Bundesländern, einschließlich der Burgenländischen Kroat*innen, festhalten. Die vielfältige Dokumentation der Veranstaltungen wird im Archiv des Österreichischen Volksliedwerkes, einer Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, verwahrt.

Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es nur wenige Tondokumente, die das nicht-professionelle Singen von Volksliedern in Österreich überliefern. Von der damaligen Volksmusikpraxis zeugen vor allem im Studio aufgenommene Schallplatten für die Unterhaltungsindustrie oder einige wenige Forschungsaufnahmen. Die neue Online-Ausstellung “Tonspuren der Heimat” bietet der Reihe “Volksliedersingen” der RAVAG nun eine neue Bühne.