SVP-Senator Karl Zeller „Selbstbestimmungsrecht der Völker zeitgemäß“

Der SVP-Senator Karl Zeller verteidigt das Recht auf Selbstbestimmung, so die Tageszeitung. Dass es in Südtirol bald zur Anwendung kommt, glaubt er allerdings nicht.

Herr Zeller, ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker in Europa heute noch Zeitgemäß, so fragte die Tageszeitung?

Zeitgemäß ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker immer. Insofern, wenn ein Volk nicht mehr im bisherigen Staatsgebiet verbleiben möchte sondern einen anderen Staat gründen oder sich einem anderen angliedern möchte. Es ist auch in den UN-Menschenrechtspakten so verankert. Das Problem stellt sich nur, wenn man innerhalb der EU einen eigenen Staat verlangt. Denn dann muss man zuerst aus der EU austreten, vorausgesetzt, dass der aktuelle Staat einverstanden ist und danach muss man schauen, wie man wieder rein kommt. Es geht rechtlich nicht, so wie manche vereinfachend meinen, dass man abstimmen kann und gleichzeitig in der EU bleiben kann, so sagte der SVP Senator.

Wie wird definiert, was ein Volk ist, so die Tageszeitung?

Das ist in der Völkerrechtslehre strittig. Wir haben vor 20 Jahren auf der Universität Innsbruck ein Gutachten genau zu dieser Frage gemacht und die Völkerrechtler waren der Meinung, dass Südtirol ein Recht auf Selbstbestimmung hätte. Durch die lange Trennung von Österreich sind alle drei notwendigen Kriterien erfüllt: Zum einen, dass man ein klar definiertes Territorium hat, dass es eine eigene Kultur und Sprache gibt und dass es eine Bevölkerung gibt, die sich von jener auf dem rechtlichen Staatsgebiet unterscheidet. Das ist aber nur die rechtliche Perspektive. Die andere Frage ist, ob wir das ausüben dürfen und da ist die Mehrheit der Völkerrechtler der Meinung, dass die Existenz des Volkes im Staatsgebiet in Frage gestellt sein muss und das trifft auf Südtirol nicht zu, so erklärte es Zeller.
Worin unterscheidet sich also dann Südtirol von Schottland, fragte die Tageszeitung weiter?
In Schottland ist es ja so, dass die Regierung in London der Volksabstimmung zugestimmt hat.
Aber ich bezweifle es sehr, dass Italien so etwas machen würde. Natürlich, wenn in Schottland die Abstimmung positiv ausgehen würde, hätte das eine Signalwirkung für Südtirol, weil der Druck auf Italien wachsen würde, eine Volksabstimmung zu genehmigen. Heute aber würde Italien sagen, dass die Abstimmung verfassungswidrig ist, so meinte der Senator.
Artikel 5 der italienischen Verfassung ist hier eindeutig. Er besagt, dass die Republik Italien unteilbar ist. Es gibt ja den Präzedenzfall in Venetien, die ebenfalls eine Abstimmung über ihre Unabhängigkeit machen wollten. Das ist von der Regierung angefochten worden und voraussichtlich wird der Verfassungsgerichtshof sagen, dass es verfassungswidrig ist. Das Problem ist aber immer ein politisches: wer unterstützt den neuen Staat und wer würde ihn anerkennen? Kein Staat will es sich mit Italien verscherzen.
Wie stehen die Chancen, dass die italienische Regierung, wie die in London, eine Abstimmung erlauben würde, so die Tageszeitung?
Momentan sehe ich keine Chance. Die Abstimmungen in Schottland und Katalonien haben aber sicher eine Sprengkraft. Ausschließen kann man in Italien nie etwas. Nur derzeit ist es nicht auf der Tagesordnung. Man müsste sich zuerst einigen, wohin man will. Denn der Freistaat den die Freiheitlichen wollen, bedeutet EU-Austritt und das kann sich unsere Wirtschaft nie leisten. Die bisherigen Äußerungen der EU-Kommission zu den Abstimmungen in Schottland und Katalonien sind ja durchwegs negativ. Niemand will neue Grenzen in der EU, deswegen hält sich die externe Unterstützung sehr in Grenzen. Wir gehen deswegen den Weg, die Autonomiepolitik weiterzuverfolgen. Wenn die Autonomie versagen sollte, muss man andere Möglichkeiten in Betracht ziehen, äußerte sich der Senator.
Die SVP steht hinter dem Selbstbestimmungsrecht. Was muss jetzt geschehen, damit die SVP auch davon Gebrauch machen will, so die Tageszeitung weiter?
Die Autonomie und Minderheitenrechte müssten in einer Weise beschnitten werden, dass eine Eigenverwaltung, wie sie vom Pariser Vertrag zugesichert ist nicht mehr möglich ist. Da ist der Punkt erreicht, wo die Voraussetzungen für einen Verbleib im italienischen Staatsgebiet nicht mehr gegeben sind und eine neue Situation da ist. Wir gehen mit dem Thema Selbstbestimmungsrecht weniger leichtfertig um wie andere. Wir wollen mit diesem Thema nicht Schindluder treiben wie andere und so populistisch sein, so Zeller.
Kann eine vertiefte europäische Integration eine andere Lösung sein, so die Tageszeitung zum Abschluss?
Wir sind nicht der Meinung, dass die Lösung darin besteht, dass alles die EU regelt. Wenn staatliche Kompetenzen an die EU abgegeben werden, geht dass noch gut, aber das Problem ist, dass der Staat auch dazu neigt, Landeskompetenzen an die EU abzugeben. Wir wollen ein Europa der Regionen, in dem die Nationalstaaten zugunsten der Regionen in den Hintergrund treten und nicht, dass ein Europäischer Moloch entsteht, der dem Subsidiaritätsprinzip verstößt, so äußerte sich der SVP Senator zum Schluss.

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