Mehr Qualität und Attraktivität für die Freiwilligentätigkeit, Fachtagung des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit

Freiwilliges Engagement hat viele Gesichter. Aber das Ehrenamt und die Freiwilligenarbeit verändern sich. Noch stellen in Südtirol genügend Menschen ihre Zeit und Fähigkeiten unentgeltlich zur Verfügung. Gemeinnützige Vereinigungen müssen sich aber rüsten und beste Voraussetzungen schaffen, um die Attraktivität für ein solidarisches Engagement zu gewährleisten.

Ein Bild, das Finger, Daumen, Hand, Handgelenk enthält.Automatisch generierte BeschreibungKrebspatienten unterstützen, eine Selbsthilfegruppe gründen, Jugendliche mit Behinderung beim Ausflug begleiten, den Tourenplan für Freizeitausflüge erstellen, mit Seniorinnen einkaufen gehen, sie zum Arzt begleiten oder eine Mitgliederversammlung leiten: Freiwilliges Engagement hat viele Facetten.

Aber auch wenn freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeit in Südtirol bislang noch traditionell stark verwurzelt ist, zeigen die Entwicklungen der letzten Jahre: Freiwilliges Engagement ist aus vielerlei Gründen nicht mehr selbstverständlich und auch kein Selbstläufer. Der Dachverband für Soziales und Gesundheit hat dies schon vor Jahren erkannt und viel in die Professionalisierung der Freiwilligenorganisationen investiert. Diesen Weg will man konsequent weitergehen, wurde auf der Tagung „Qualität in der Freiwilligenarbeit – erheben, planen, gestalten“ am Freitag, 6. September im Festsaal der Gemeinde Bozen betont. Dort wurde ein für die Vereine und Organisationen unterstützendes Qualitätsmanagementsystem und ein Qualitätssiegel für die Freiwilligenarbeit vorgestellt.

Die anwesende Landesrätin Rosmarie Pamer sicherte Unterstützung zu. „Wir werden noch mehr schauen, dass Freiwilligenorganisationen unterstützt werden, auf Landes- und Gemeindeebene“, sagte Pamer: „Es muss uns miteinander gelingen, Menschen, junge wie ältere zu begeistern und zu aktivieren, damit wir weiterhin eine solidarische Gesellschaft bleiben.“

Gelingen kann dies durch Professionalisierung. „Qualitätsstandards helfen den Vereinen neue Freiwillige zu gewinnen und ehrenamtliche Mitarbeiter zu halten“, ist Dachverband-Präsident Wolfgang Obwexer überzeugt: „Früher war es typisch, dass jemand ein Leben lang im Verein bleibt und sich dort engagiert. Heute haben die Menschen andere Erwartungen. Freiwillige kommen heute nicht mehr so selbstverständlich zu einem Verein wie früher. Darauf müssen sich die Organisationen einstellen.“ Von Amtsmüdigkeit zu sprechen sei übertrieben, jedoch wolle jeder Vereinsvorsitzende irgendwann sein Amt abgeben und zugleich auch den Fortbestand der Vereinigung in sicheren Händen wissen. In der Regel ist es aber meist nicht ganz einfach Bereitwillige zu finden. Während früher ein Ehrenamt als erstrebenswert galt, gibt es heutzutage kaum Gedrängel um die Nachfolge.

Weit besser sieht es hingegen aus, wenn es um kurzfristiges Engagement geht, punktuell zu bestimmten Anlässen. Die Mobilisierung von vielen Freiwilligen, etwa bei einem Notfall oder einer Katastrophe funktioniert sehr gut. Auch für die Mithilfe bei einem Fest oder einer zeitbegrenzten Initiative finden sich sofort genügend helfende Hände. Bei der Bereitschaft für ein regelmäßiges Engagement sieht es hingegen schlechter aus.

Wie finden wir also auch in Zukunft noch genügend Freiwillige und Ehrenamtliche, die sich für das Gemeinwohl einsetzen? Wie sieht eine zeitgemäße Organisation von Freiwilligen aus? Freiwilligenorganisationen tun jedenfalls gut daran sich vorzubereiten. Es gelte, den Fokus auf Professionalität und Qualität zu setzen betonte auch Univ. Prof. Ennio Ripamonti von der Universität Cattolica Mailand. Gerade soziale, gemeinnützige Organisationen stehen durch ihren besonderen Einsatz für und mit Menschen vor besonderen Herausforderungen. Dort gehe es darum, anderen Menschen zu helfen, zur Seite zu stehen und auf aktuelle Nöte und Sorgen zu reagieren. Dabei sei eben nicht nur der gute Wille entscheidend, sondern auch, dass jeder Handgriff passt, wenn etwa eine bettlägerige Person bewegt werden muss. Aber auch Verlässlichkeit ist entscheidend, sowie etwa die Wahrung der Privatsphäre für die Personen, denen man hilft.

„Qualitätsentwicklung bietet viele Vorteile für Vereine und für Freiwillige“, betont Dachverband-Geschäftsführer Georg Leimstädtner: Sie ermöglicht eine strukturierte Reflexion der eigenen Arbeit anhand von gesetzten Zielen und Standards. Dies führt zu einer besseren Organisation der Arbeitsprozesse und macht diese reproduzierbar. „So wird garantiert, dass die gleiche Qualität auch im nächsten Jahr gewährleistet werden kann, wenn z. B. neue Freiwillige die Tätigkeit ausüben. Gute Strukturen und Prozesse minimieren zudem Fehler und beugen Risiken vor. Dadurch steigt die Zufriedenheit der Freiwilligen und der Menschen, denen man hilft“, erklärt Leimstädtner.

Geradezu ein Paradebeispiel für einen Freiwilligen und Ehrenamtlichen ist Karl Werner aus Riffian. Er ist Vizepräsident des Vereins Adlatus, wo er sich für Menschen mit Behinderungen einsetzt, Freizeitaktivitäten und Behindertentransporte organisiert. Zudem ist Karl Werner noch im Sportverein aktiv, im Pfarrgemeinderat aber auch im Chorverband. Vor kurzem ist er in Innsbruck mit dem Tiroler Verdienstkreuz ausgezeichnet worden. Als eine der ersten Organisationen hat der Verein Adlatus heuer die Qualitätszertifizierung abgeschlossen. „Wir haben bei diesem Prozess viel gelernt“, betont Karl Werner.

Im Bild: vorne vlnr: Anna Faccin (Debra Family), Karl Werner (Adlatus), Francesca Zucali (Rotes Kreuz Bozen), Prof. Ennio Ripamonti, Ulrich Seitz (DZE), Rosmarie Pamer (Landesrätin), Heinz Torggler (Dachverband für Soziales und Gesundheit) und Sandro Pellegrini (Südtiroler Wirtschaftsring)