„Bei jüngeren Konsumenten überwiegend Frauen, bei älteren Männer“

Bahngleis7 analysiert 20 Jahre Tätigkeit mit Schwerpunkt „Frauen“.

Der Caritas-Dienst Bahngleis7 hat, zumal es ihn schon seit über 20 Jahren gibt, so etwas wie Geschichte in der Suchtarbeit geschrieben: 720 Personen wurden in diesen 2 Jahrzehnten begleitet, knapp 89.900 warme Mahlzeiten verteilt und im Austausch mit sterilem Material rund eine halbe Million gebrauchte Spritzen fachgerecht entsorgt. All diese Zahlen, aber auch wie sich die Welt des Konsums in all dieser Zeit verändert hat, sind in dem Bericht nachzulesen, den B7 auf der Caritas-Webseite veröffentlicht hat. Besonderes Hauptaugenmerk wird dabei auf die weibliche Komponente gelegt.

Die niederschwellige Tagesstätte B7 wurde im November 2000 vom Verein „Südtiroler Drogenhilfe“ in einem Gebäude neben dem Bozner Bahnhof eröffnet – daher rührt auch ihr Name „Bahngleis7“. „Folgende Idee stand damals dahinter: Es gibt Menschen, die Drogen konsumieren, das ist so; wir können jedoch daran arbeiten, die mit dem Konsum verbundenen Risiken zu verringern, ihre Gesundheit und damit ihr Überleben zu schützen. Dieses Ziel ist auch heute noch das Herzstück des Dienstes“, erklärt Patrizia Federer, die Leiterin von Bahngleis7, das die Caritas inzwischen im Auftrag des Betriebes für Sozialdienste Bozen führt.

Wie sich die Welt des Konsums verändert hat, welche Tendenzen sich abzeichnen, das lässt sich an den Daten von Bahngleis7 ablesen, welche das B7-Team für die vergangenen 20 Jahre zusammengetragen und auf der Webseite der Caritas veröffentlich hat. „Dabei fällt auf, dass die Zahl der jungen Konsumenten ständig steigt, unter ihnen vor allem die Zahl der Frauen: In der Altersgruppe der unter 19-Jährigen haben wir fast 60 Prozent Mädchen bei unseren Kontakten festgestellt. Bei den langjährigen Nutzern indes beobachten wir eine Überalterung, insbesondere der Männer, die über 90 Prozent der über 50-Jährigen ausmachen“, nennt Federer ein paar Beobachtungen unter dem geschlechterspezifischen Aspekt. „Konsumenten erreichen inzwischen zwar ein höheres Alter, ihre konsumbedingten Krankheiten und ihre sozialen Probleme haben sich allerdings auch chronifiziert.“

Aus geschlechtsspezifischer Sicht ist auch die Art und Weise, wie die Dienste in Anspruch genommen werden, sehr unterschiedlich: „Männer bleiben länger im B7, sie verbringen oft den ganzen Tag dort; Frauen indes kommen hierher, um die angebotenen Dienste gezielt zu nutzen: ihre Wäsche zu waschen, einen Workshop zu besuchen oder eine Beratung in Anspruch zu nehmen“, schildert Federer ihre Erfahrungen. „Insgesamt haben wir als B7 158 Frauen begleitet, das sind etwa 20 Prozent unserer ,Klienten‘. Sie haben in der Regel eine problematischere Wohn- und Arbeitssituation als Männer und kommen seltener allein, sie werden fast immer von einem Mann begleitet. Sie konsumieren häufiger Kokain, Heroin und THC, aber weniger Psychopharmaka und Alkohol als Männer. Wir haben auch festgestellt, dass Frauen schneller in die Abhängigkeit geraten und ein niedrigeres Sterbealter haben: 47 Prozent der Frauen sind zum Zeitpunkt des Todes unter 40 Jahre alt, während 78 Prozent der Männer über 40 Jahre alt sind.“

Frauen werden auch stärker diskriminiert und leiden unter einer doppelten Stigmatisierung, so Federer weiter: „Gerade weil sie ,Frauen‘ und ,Drogenabhängige‘ sind, wird ihnen das Bild von Weiblichkeit sowie ihre Rolle als Mutter und Betreuerin abgesprochen. Dieses Risiko spiegelt sich auch in den verschiedenen Diensten wider, die Frauen deshalb weit weniger aufsuchen als Männer.“

Bei Bahngleis7 hat man deshalb im Laufe der Jahre ein spezielleres Angebot für die weibliche Zielgruppe entwickelt: indem für sie geschützte Räume wie das „Frauencafé“ und gezieltere Angebote und Initiativen geschaffen wurden wie z. B. die Gender-Beratungsstelle, die Berufswerkstatt „Articolo4“, die die Integration fördert und die Fähigkeiten der Menschen reaktiviert. Schließlich wurde auch auf ein Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Mitarbeitenden geachtet, um geschlechtsspezifischen Fragen ausgewogen entgegenkommen zu können.