Morgen beginnt das mit Hochspannung erwartete Finale des 60. Internationalen Klavierwettbewerbes Ferruccio Busoni. Die Jury ist bis auf eine Ausnahme ausschließlich mit Busoni-PreisträgerInnen verschiedener Jahrzehnte besetzt. Der Präsident ist der Österreicher Jörg Demus, er gewann den Preis im Jahr 1956 gewann. Ein Redakteur der Tageszeitung führte daher mit dem Preisträger zum gegebenen Anlass ein Interview. Im Interview wurde Demus gefragt, wie stark der Busoni-Preis im Jahr 1956 zu seiner Karriere als Pianist beigetragen hätte. Auf diese Frage antwortete Demus: Er selbst habe eigentlich keine Karriere als Pianist gemacht, sondern eine Karriere als Musiker. Der Busoni-Preis hat vor allem als Bachspieler geholfen, der er mit dem „Wohltemperierten Klavier” und den Goldbergvariationen schon seit seiner frühen Jugend war. Laut Demus war auch seine langjährige Zusammenarbeit mit dem größten Liedersänger aller Zeiten prägend, Dietrich Fischer-Dieskau. Und er besitzt ein breites Repertoire und viel Kammermusik, seine Mutter war Geigerin, er spricht also immer lieber von einer Karriere als Musiker, nicht als Pianist, aber der Busoni-Preis hat zu diesem Weg sehr gut beigetragen, erklärte Demus dem Redakteur weiter. Da es ein schönes Foto gibt worauf Demus und der Mitbegründer des Busoni Klavierwettbewerbes, Arturo Benedetti Michelangeli zu sehen ist, wurde er auch darauf angesprochen. Der Redakteur wollte wissen, ob er ihn näher kannte. Demus Antwort auf die Frage, ob er ihn näher kannte: Michelangeli war ein Mythos und näher hat ihn glaube ich niemand gekannt, vielleicht seine Frau, obwohl Demus auch das hier bezweifelte. Aber er hat zwei Sommerkurse bei ihm belegt, einen davon in Bozen. Am Anfang war er sehr streng mit ihm, aber dann hat er gesehen, dass Demus alles so gut machen möchte, wie er nur kann, und dann hat er ihn glaube schon geschätzt. Von „Nahekommen” kann man aber wahrhaft nicht sprechen, so Demus über Michelangeli.
Bezüglich des eigenen Lebens, sollte Demus dem Redakteur Preis geben, ob es da Konstanten gibt oder möglicherweise Brüche gab. Demus sagte dem Redakteur hierauf: Gott sei Danke gab es keinen Bruch, denn jeder Bruch bedeutet einen sehr großen Zeitverlust, erklärte Demus. Mit 11 Jahren ist er in Wien aufs Konservatorium gekommen, die beste Schule die man in Österreich hat, und von da an war sein Lebensinhalt Musik in allen Richtungen, philosophierte Demus. Auch Orgel studierte er, das hat ihn zu einem Musiker gemacht, der er bis heute, mit 86 Jahren, geblieben ist.
Nachdem Demus seit einiger Zeit wieder vermehrt und mit großem Erfolg in Asien konzertiert, durfte diese Frage nicht fehlen. Der Redakteur fragte nach der Rolle der Länder wie China, Japan und Südkorea im künftigen klassischen Musikleben einnehmen würden. Auf die Frage, welche Rolle diese Länder spielen antwortete er: Ich glaube, die große tonale Musik Europas, die vom 17. Jahrhundert bis zum 1. Weltkrieg entstand, ist für Menschen geschrieben, erklärte der Musiker. Mit Hilfe der richtigen Lehrer können die herausragenden jungen Musiker aus Asien diese Musik genauso verstehen und lieben, wie er sie sein ganzes Leben lang geliebt hat.
Besonders interessant die Frage bezüglich des eigenen Klaviermuseums am Attersee mit den unterschiedlichsten Instrumenten aller Epochen von Demus.
Demus antwortete dazu: Es haben sich ja nicht nur die Instrumente geändert, sondern unser ganzes Leben, so der Musiker. Und auch das Publikum und die Säle haben sich geändert. In einem großen heutigen Konzertsaal ist ein Flügel von Steinway, Fazioli oder Bösendorfer natürlich das einzig Richtige. Wenn man aber Tonaufnahmen anfertigt, wie er sie im Klaviermuseum viel gemacht hat, dann kann man das Mikrophon so stellen, dass auch der bescheidenere Klang gut herauskommt. Für Tonaufnahmen sind diese Instrumente sehr lehrreich, wir sehen eben, wie es für die Ohren eines Mozart, Haydn, Schubert oder Schumann wirklich geklungen hat.
Auf die Frage, ob Demus einen Rat für die angehenden jungen Konzertpianisten, die sich heute diesem Beruf stellen wollen hätte, antwortete Demus:
Ganz einfach, antwortete der Maestro darauf: Entweder die Musik zu lieben, mehr als alles andere, und ihr sein ganzes Leben zu opfern, oder besser etwas anderes zu machen.
Besonders interessant auch die Frage bezüglich des Repertoires, worauf Demus meinte: Die Konzerte Beethovens sind eine Begleitung seines Lebens, so sagte Demus dem Redakteur. Das, was man beim frühesten Konzert, dem zweiten, das vor dem ersten entstanden ist, braucht, ist noch lange nicht genug für das vierte und fünfte. Man muss mit Beethoven sozusagen mitwachsen, meinte Demus. Er selbst hatte in seiner Konzertaktivität mit den ersten beiden Konzerten begonnen, dann kam das dritte, dann das fünfte und dann, und das ist vermutlich auch das schwierigste, das vierte Konzert für Klavier und Orchester. Man muss also vielleicht auch ein paar Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen lassen, um diesen Bogen von Beethovens Lebenswerk und seiner Entwicklung mitzuzeichnen.
Zu allerletzt konnte wohl die Frage nicht fehlen, ob das das spätere Repertoire also für die ganz jungen Musiker vielleicht sogar ungeeignet sei, worauf Demus prompt zu sagen wusste: Ob das Repertoire ungeeignet antwortete Demus: Das würde ich nicht sagen. Ein wirkliches Talent kann viele Sachen erfühlen, das sieht man ja schon bei den Komponisten: Es gibt Werke, die Mozart oder Schubert mit 20 Jahren geschrieben haben, die A-Dur Symphonie oder der Erlkönig, die sind ganz unglaublich und auf der größten künstlerischen Höhe. Es ist nicht nur eine Frage der Arbeit und der Lehre, sondern des Talentes. Wenn heute ein 20jähriger kommt und mir das 4. Beethovenkonzert liebevoll und schön vorspielt, dann bin ich nur beglückt, so Demus zum Abschluss des Interviews mit dem Redakteur.